Medien
01.09.2025
Interview mit der taz
„Das ist schlicht Antisemitismus“
Der Berliner Bezirk Steglitz-Zehlendorf diskutiert, zwei Songs von Kanye West verbieten zu lassen. Grünen-Politiker Daniel Eliasson erklärt, warum.
Veröffentlicht am 1. September 2025
Interview: Susanne Memarnia
taz: Herr Eliasson, die Zählgemeinschaft aus SPD, Grüne und FDP in Steglitz-Zehlendorf will zwei Songs des US-Rappers Kanye West auf den Index jugendgefährdender Medien setzen lassen. Warum?
Daniel Eliasson: In den beiden Songs „WW3“ und „Heil Hitler“ gibt es sehr antisemitische und NS-verherrlichende Textzeilen, zum Beispiel „I'm anti-semitic fully“, „Rocking Swastikas 'cause all my n*ggas Nazis“, „Reading Mein Kampf, two chapters before I go to sleep“. Es hat mich bewegt, als diese Lieder im Mai herausgekommen sind, wie das in den USA aufgenommen wurde.
taz: Nämlich?
Eliasson: Es kam dort laut der Anti-Defamation League tatsächlich zu antisemitischen Vorfällen, die von den Liedern inspiriert waren. Da habe ich mich informiert, was es für Möglichkeiten gibt, dagegen vorzugehen. So habe ich erfahren, dass jedes Jugendamt in Deutschland einen Antrag auf Indizierung bei der Bundeszentrale für Kinder- und Jugendmedienschutz (BzKJ) stellen kann.
taz: Was würde es konkret bedeuten?
Eliasson: Wenn man die Songs physisch kaufen könnte, wäre das dann verboten. Aber soweit ich weiß, gibt es sie nicht zu kaufen. Es wäre also ein Thema für Streaminganbieter. Streaminganbieter mit Sitz in Deutschland müssten sie aus dem Angebot nehmen. Bei internationalen Plattformen wie Spotify oder Apple Music bin ich mir da nicht so sicher.
taz: Die Songs sind ja jetzt schon selbst zensiert. Reicht das nicht?
Eliasson: Ja, teilweise hört man die Stimme an den Stellen nicht mehr, es ist eine Lücke im Ton. Bei „Heil Hitler“ gibt es eine Chorpartie, wo es aus meiner Sicht sehr schwer ist zu unterscheiden, ob jetzt „Halleluja“ oder „Heil Hitler“ gesungen wird. Ich möchte, dass auch diese halbgar zensierten Versionen verschwinden, denn natürlich wissen inzwischen die meisten, worum es da eigentlich geht.
taz: Glauben Sie, das ist realistisch?
Eliasson: Für mich wäre es auch fein, wenn die Plattformen sagen, wir nehmen das nicht runter. Denn es geht mir auch darum, eine Diskussion anzustoßen über die Spielregeln und warum sich vielleicht nicht alle Plattformen daran halten. Das ist ein Thema, über das wir reden müssen.
taz: Warum diese Songs? Es gibt sicher hunderte Lieder mit problematischem Inhalt, die nicht verboten sind.
Eliasson: Ich bin ein großer Fan der Kunstfreiheit. Ich glaube auch, gerade bei HipHop verlaufen die Grenzen irgendwie fließend und man muss sie weit fassen. Aber bei all den Sachen, die Kanye West in den letzten zwei Jahren gemacht hat, geht es nicht um Provokation, das war auch keine Satire oder überhaupt Kunst, sondern schlicht Antisemitismus. Das ist eine Verherrlichung und ein Verbreiten von Gedankengut, das keiner gutheißen kann. Man muss sich vorstellen: ein Chor, der die ganze Zeit „Heil Hitler“ singt!
taz: Und das hören Millionen Menschen!
Eliasson: Ja, es gibt ja wenig Künstler weltweit, die so einen musikalischen Einfluss hatten wie Kanye West, dazu kommt der Hype um die Person. So ein berühmter Künstler, der ganz offensichtlich NS-verherrlichende Sachen teilt, kann wirklich eine ganze Generation beeinflussen. Vielleicht nicht in Deutschland, weil wir hier uns schon mehr mit der Geschichte auseinandersetzen. Aber wenn man sich den internationalen Impact anguckt, glaube ich schon, dass das ein Problem ist.
taz: Wie geht es jetzt weiter?
Eliasson: Der Kulturausschuss hat den Antrag einstimmig angenommen, bald tagt der Jugendhilfeausschuss wieder regulär und wird das wahrscheinlich auch beschließen. Dann kommt die Sache in die BVV. Ich gehe davon aus, dass wir dieses Jahr noch zu einem Beschluss kommen.
Das Interview erschien zuerst am 1. September 2025 bei taz.de.